Auf der Suche nach der digitalen Freiheit
WirtschaftsförderungHaben Sie jemals die Nutzungsvereinbarung bei der Installation neuer Software gelesen? Ich auch nicht – außer, wenn ich Sie überzeugen kann, dass Zwei-Sekunden-Scrollen-bis-zum-Ende als gelesen durchgeht. Rund 95 Prozent aller Anwenderinnen und Anwender verwenden Software von Apple oder Microsoft auf ihren Rechnern. Wir vertrauen darauf, dass die Techgiganten unsere Daten sicher und korrekt verarbeiten. Aber wissen tun wir es nicht.
Und wir können auch nicht nachschauen, denn die meisten Softwareproduzenten geben keinen Einblick in ihren Quellcode – dem Herz eines jeden Programms. Anders sieht es bei sogenannter Open-Source-Software wie etwa dem Betriebssystem Linux aus. Ihr Quellcode ist offen und jeder kann nachprüfen, was mit den Daten geschieht.
„In Zeiten der Digitalisierung wird IT-Sicherheit besonders wichtig, Open-Source-Programme schaffen Transparenz, Nachprüfbarkeit und damit Sicherheit“, sagt Peter H. Ganten, Gründer der Bremer Univention GmbH. „Außerdem verringern sie die Abhängigkeit von großen Softwareherstellern und Insellösungen.“
Open Source aus Bremen
Aus diesem Grund entwickelt Ganten mit seiner Firma ausschließlich quelloffene Software. Univention ist heute führender Anbieter von Open-Source-Produkten für den Betrieb und das Management von IT-Infrastruktur. Überall dort, wo viele Computer gemeinsam verwaltet werden müssen – etwa in Unternehmen, Schulen oder Behörden – kommt das Bremer System zum Einsatz.
„Unsere Kunden wollen ihre IT zu 100 Prozent selbst kontrollieren und unabhängig von proprietärer Software sein“, sagt Ganten, „offene Systeme bieten die Chance, sie selbst weiterzuentwickeln und sie den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Das fördert Innovationen und damit die digitale Wertschöpfung.“
Mittelstand an Open Source heranführen
Die Pflege von Open-Source-Software ist komplexer als Systeme von Apple oder Microsoft, die zugänglicher für den technisch unversierten Nutzer sind. „Unsere Idee ist deshalb, Open-Source-Software mit dem Service und Komfort von proprietärer Software zu verbinden: Regelmäßige Updates, Pflege, Wartung, Testing und Haftung. So wird quelloffen auch für den Mittelstand interessant.“ Und gerade der habe in der Digitalisierung noch einiges aufzuholen, so Ganten. Künftig werde jeder Unternehmensprozess digital abgebildet und gesteuert – eine Abhängigkeit von einem Hersteller oder gar einer Softwareversion könne da schnell geschäftsentscheidend werden.
In der New Economy gestartet – und sie überlebt
Ganten ist ein alter Hase im IT-Geschäft. Mitte der 90er wird er als junger wissenschaftlicher Mitarbeiter eines psychologischen Instituts erstmals mit dem Aufbau von IT-Systemen für die gesamte Abteilung betraut. Später, in der Dotcom-Blase, sammelt er wichtig Erfahrungen als IT-Marktanalyst, muss aber bald feststellen, dass hinter vielen aufkommenden Unternehmen nicht viel mehr als heiße Luft steckt. „Dann kam mir die Idee, mich mit dem Thema Open-Source-IT selbstständig zu machen, aber kleiner, hanseatischer. Denn ein einheitliches, konsistentes und in sich schlüssiges Open-Source-Angebot gab es damals noch nicht“, sagt er heute.
Schulen digitalisieren
Ganten startete 2002 im Bremer Innovations- und Technologiezentrum BITZ und ist seitdem dem Technologiepark an der Uni Bremen treu geblieben. Heute beschäftigt er 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und betreibt selbst in den USA ein Büro. Auch wenn seine Kunden in der ganzen Welt sitzen, eines seiner Lieblingsprojekte hat er in Bremen durchgeführt: „Das Land Bremen ist Vorreiter in der Digitalisierung von Schulen und ich bin besonders stolz, dass Software von Univention eingesetzt wird, um die IT zu organisieren. Wir haben oft Delegationen aus anderen Bundesländern oder Städten, die sich unsere Lösungen anschauen.“ Genauso zählen aber auch Wirtschaftsunternehmen wie Flamme Möbel, KiKxxl oder die Oldenburgische Landesbank zu langjährigen und wichtigen Kunden von uns.
Starthaus Coachingprogramm als Startimpuls
Dass aus dem Psychologen und Physiker ein erfolgreicher Unternehmer wurde, ist nicht zuletzt auch dem dem Coachingprogramm vom Starthaus Bremen während der Gründungsphase geschuldet. „Ich habe gutes Feedback für vieles bekommen und gleichzeitig wurde der Finger in die Wunde gelegt, wenn etwas noch nicht ausreichend durchdacht war", erinnert sich Peter Ganten und ergänzt: „Ich war also sicherer, worauf ich mich konzentrieren musste. Das war zum Beispiel die Ausarbeitung des Businessplans, mit dem wir dann Sieger beim Start-up-Wettbewerb wurden."
Das Coaching-Programm begleitet Gründerinnen und Gründer ein Jahr lang mit Seminaren, Coachings und Wissen und hilft ihnen so bei der Entwicklung unternehmerischer Kompetenzen. Zudem erhielt Univention 2009 eine Förderung aus dem FEI-Programm (Forschung, Entwicklung und Innovation) für die Entwicklung eines Open Source-Produktes. Das FEI-Programm minimiert Risiken bei der Entwicklung von Produkten, Verfahren und Dienstleistungen und wird zum Teil mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung/EFRE-Darlehensfonds Bremen kofinanziert.
Gründen: Einer guten Idee freien Lauf lassen
Worauf es bei einer Gründung wirklich ankommt? Ganten rekapituliert aus seiner eigenen Erfahrung: „Im Kern jedes Unternehmens muss eine Idee stehen, welchen Nutzen man anderen bieten möchte. Ich glaube, jeder Gründer braucht dazu eine klare Vision und muss so früh wie möglich damit beginnen, diese zu testen. Das heißt, er muss testen, ob das, was er machen möchte, wirklich als Nutzen wahrgenommen wird, für den andere Geld ausgeben.“ Gantens Vision ist nach wie vor klar: Mit Offenheit, Transparenz Anwenderinnen und Anwendern die Möglichkeit geben, ihren Ideen frei nachzugehen.
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