Wenn Bienen duschen müssen
WirtschaftsförderungNeuer Ansatz in der Varroa-Bekämpfung von Bienen
Varroa-Bekämpfung mittels künstlicher Intelligenz und Mikrosystemen: Das ist das Ziel des Projekts BeeVar. Es soll Imkerinnen und Imkern einen völlig neuen Ansatz in der Varroa-Behandlung ermöglichen. Kern der Forschung ist das Kurieren einzelner Tiere und die passgenaue Therapie des Bienenstocks.
Sind Bienen eher Morgen- oder Abendduscherinnen? Duschen sie überhaupt gerne oder ist vielmehr Baden ihr Ding? Eine Frage, um die Mikrosystem-Ingenieur Thomas Stärz und sein Forschungsteam sich keine Gedanken machen können. Denn ihnen geht es vor allem darum, die Bedrohung durch die Varroa-Milbe zu eliminieren.
Jede Imkerin und jeder Imker kennt die kleinen Spinnentiere zu Genüge. Nahezu jedes Bienenvolk in Deutschland, aber auch in Europa und in Nordamerika, ist von ihr befallen. Ihre Brut nistet sowohl in Bienenlarven als auch auf der Biene selbst und schwächt sie. Zudem tragen die Milben Viren in sich, die das Bienenimmunsystem angreifen. Starker Milbenbefall kann zum Tod eines ganzen Bienenstocks führen.
Heute gibt es verschiedene Behandlungsmethoden gegen Varroamilben, etwa Säuren wie Ameisen- oder Oxalsäure, die im Bienenstock versprüht werden. Hinzu kommen Insektizide. Aber die chemischen Mittel haben ihre Nachteile: Gegen Insektizide entwickeln die Milben Resistenzen und die organischen Säuren können sich im Wachs und im Honig festsetzen. Zu hohe Dosen führen zudem zum Tod der Bienen.
Varroa-Bekämpfung bis hin zur einzelnen Biene
Ein Dilemma – kann da die moderne Technik helfen? Das fragte sich Professor Michael Vellekoop vom IMSAS – Institut für Mikrosensoren, -aktuatoren und -systeme der Universität Bremen. Ein Mitarbeiter am Institut, Christian Habben, ist passionierter Hobbyimker, kannte das Problem des Milbenbefalls und macht den Professor darauf aufmerksam. Und der kannte wiederum Thomas Stärz, Geschäftsführer des Bremer Mikrosystemspezialisten microfab. Zusammen setzen sie auf eine radikal neue Idee: die eingesetzten Mittel so genau zu dosieren, dass einzelne Tiere die ideale Behandlung erhalten.
Angesichts von 40.000 und mehr Bienen in einem Stock klingt das unglaublich – und funktioniert nur mit neuesten Technologien: Der Kombination aus Mikrosystemen und künstlicher Intelligenz.
Mikrosystemtechnik
Als Mikrosysteme werden Maschinen und Bauteile bezeichnet, die in der Größenordnung von einem Mikrometer liegen, also ein tausendstel Millimeter messen (zum Vergleich: Ein Haar ist rund 40 Mikrometer dick).
Die Bremer microfab ist ein Dienstleister im Bereich der Mikrosystemtechnik. Elf Angestellte verarbeiten in einem speziellen Reinraum an der Universität Bremen jedes Jahr rund 20.000 sogenannte Wafer. Jede dieser Siliziumscheiben kann zwischen 100 bis 6.500 Mikrosystemen enthalten. Das können Mikrofone, Sensoren, Thermometer, Ultraschallwandler oder auch Düsen sein. Sie kommen in vielen Bereichen zum Einsatz – etwa im Handy oder auch in medizinischen Beatmungsgeräten. In letzteren befindet sich übrigens in 70 Prozent aller Geräte weltweit Bremer Technik.
Mikrodüsen besprühen Bienen mit Säuremitteln
Im microfab-Portfolio befindet sich auch eine Düse, die so klein ist, dass sie einzelne Bienen gezielt besprühen kann. „Die Idee ist, dass wir befallene Bienen beim Austritt aus dem Stock mit wenigen Mikrolitern Säure bespritzen, die Milben dann absterben und im Flug von den Bienen fallen“, so Geschäftsführer Stärz.
Um die Steuerung der Düsen kümmert sich dabei eine künstliche Intelligenz, die mittels kleiner Schwarz-Weiß-Kameras nicht nur erkennt, ob eine Biene den Stock verlässt oder hereinkommt, sondern auch, ob sie von Milben befallen ist. Hierfür haben sich der Professor und der Geschäftsführer Unterstützung von Professorin Dr. Kerstin Schill von der AG Kognitive Neuroinformatik der Uni Bremen geholt.
Überwachung der Varroa-Bekämpfungsmittel im Bienenstock
Einzelne Bienen zu besprühen ist dabei einer von zwei Ansätzen im Projekt. Beim zweiten steht der ganze Stock im Fokus: Hierzu bringen die Wissenschaftler:innen verschiedene Sensoren im Stock an, die Umweltbedingungen, aber auch den Säuregehalt der Luft messen. Automatisierte Sprühanlagen passen die Konzentration des Wirkstoffs dann so an, dass Milben bekämpft werden, aber keine Langzeitschäden an den Bienen oder am Honig entstehen.
Welche Methode die vielversprechendere ist, oder ob am Ende beide zum Einsatz kommen, das steht noch nicht fest. Bisher befindet sich das Projekt – „BeeVar“ genannt – im Prototypenstadium. Erste Bienenstöcke wurden mit dem System ausgerüstet, das nun von dem Forschungsteam wie auch den Bienen auf Herz und Nieren überprüft wird.
Dabei haben sie auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Imkerinnen und Imker im Blick. „Die Behandlungsmethode soll natürlich gerade auch für Hobby-Bienenhalter und -Halterinnen erschwinglich bleiben. Wir stehen dazu in Kontakt mit der Branche. Aber das ist erst ein späterer Schritt, zunächst müssen wir die Wirkung nachweisen“, so Stärz.
Förderprojekt mit Unterstützung der BAB
Das Forschungsprojekt geht völlig neue Wege in der Behandlung des Varroa-Befalls. Die experimentelle Herangehensweise bedeutet auch für microfab ein Umdenken. „Wir können mit diesem Projekt unsere Entwicklungskompetenzen ausbauen und so neues Know-How in Gebieten wie dem Umgang mit der KI aufbauen,“ erklärt Stärz.
Neben dem potenziell großen Nutzen für die Umwelt, begeistert Stärz am Projekt vor allem die ausgefeilte Technik. „Ich bin Techniker durch und durch und mich freut der große praktische Nutzen für unsere Umwelt an diesem Projekt. Deshalb macht es uns allen großen Spaß, daran zu arbeiten.“
Um das Forschungsrisiko abzumildern und neue Innovationen zu ermöglichen, wird „BeeVar“ von der BAB im PFAU-Förderprogramm unterstützt. „Bienen tragen zur Biodiversität bei und sind ein unverzichtbarer Teil unserer Umwelt. Sie leisten einen erheblichen Beitrag zu unserer Nahrungsmittelversorgung. Deshalb unterstützen wir das BeeVar-Projekt – der völlig neue Ansatz bietet großes Potenzial“, so Dr. Alla Kress von der BAB.
Über die Unterstützung der Förderbank ist Stärz dankbar: „Die Zusammenarbeit mit der BAB war sehr strukturiert und zielführend, wir sind auf großes Verständnis gestoßen. Wir erhielten einige Tipps und Tricks, die uns die Antragstellung vereinfacht hat.“
Bleibt zuletzt nur noch eine Frage: Ob die Insekten unter der Dusche leise das Lied von einer kleinen Biene namens Maja summen? Das ist wohl Gegenstand einer anderen Forschungsfrage...
Das Programm zur Förderung anwendungsnaher Umwelttechniken (PFAU) wird von der Bremer Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau sowie aus den Mitteln des EFRE - Europäischer Fonds für regionale Entwicklung gefördert und von der BAB – Die Förderbank für Bremen und Bremerhaven umgesetzt.
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