Weniger Staus und schnellerer Arbeitsweg dank Forschung aus Bremen
WirtschaftsförderungForschungsprojekt zur intelligenten Simulation des Verkehrs
Die Reduzierung von CO2-Emissionen ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum Erreichen der Klimaziele. Dabei kommt dem Verkehrssektor eine tragende Rolle zu. Einen Beitrag könnte künftig ein Modell leisten, das Forschende der Universität Bremen derzeit in Zusammenarbeit mit der Verkehrsmanagementzentrale entwickeln: Es soll den Verkehrsfluss in der Stadt zunächst vorhersagen und dann in einem zweiten Schritt verbessern.
Autoabgase sind in Deutschland für rund 20 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Vor allem in Städten ist das ein Thema, denn das permanente Bremsen und Beschleunigen einerseits sowie niedrige Geschwindigkeiten andererseits treiben den Energieverbrauch und damit den CO2-Ausstoß in die Höhe. „Bremen ist davon besonders stark betroffen“, erläutert Daniel Klosa, Doktorand am Zentrum für Technomathematik (ZeTeM) der Uni Bremen. „Die umliegenden Flüsse lassen hier nur wenige Verbindungsstraßen ins Umland zu, darum haben wir eine hohe Verkehrsdichte in der Stadt.“
Das ZeTeM hat sich den Transfer moderner mathematischer Methoden in die Industrie und die Wissenschaft zum Ziel gesetzt. In der Arbeitsgruppe „Optimierung und Optimale Steuerung“, in der Klosa arbeitet, stehen die Entwicklung von leistungsfähigen numerischen Algorithmen sowie deren praktischer Einsatz bei der Lösung von Fragestellungen aus unterschiedlichsten Bereichen im Fokus. „Wir brainstormen regelmäßig zu potenziell neuen Anwendungsszenarien für unsere Methoden der nichtlinearen Optimierung“, berichtet der Wissenschaftler. „Insbesondere motiviert durch persönliche Erfahrungen im Bremer Berufsverkehr ist uns irgendwann das Thema Verkehrsflussoptimierung ins Auge gefallen.“
Daten aus der Verkehrsmanagementzentrale
So entstand schließlich das Forschungsprojekt „DiSCO2 – Datenbasierte und intelligente Simulation des Verkehrs zur CO2-Reduktion in Bremen“. Seit Mitte 2020 und noch bis zum Ende dieses Jahres entwickelt ein Team aus vier Forschenden einen sogenannten digitalen Zwilling des Bremer Straßenverkehrs: Dabei handelt es sich um ein quasi deckungsgleiches Abbild der realen Verkehrssituation, das zuverlässige Vorhersagen über den Verkehrsfluss und die damit verbundenen CO2-Emissionen in Abhängigkeit zum Beispiel von Wochentag, Jahreszeit, Wetterlage und Veranstaltungen erlauben soll. Darüber hinaus soll die Simulation künftig Anomalien erkennen und dazu beitragen, die Auswirkungen von Baustellen und Großereignissen auf den Verkehrsfluss zu erfassen und letztlich zu reduzieren.
Grundlage dafür ist eine Kombination aus dem vorhandenen Straßennetz sowie den umfangreichen Daten, die die Bremer Verkehrsmanagementzentrale (VMZ) seit einigen Jahren über rund 600 im Stadtgebiet verteilte Messstellen mit Induktionsschleifendetektoren erfasst. Die VMZ unterstützt das Projekt, indem sie sowohl ihre Hardware zur Verkehrsüberwachung als auch ihre gesammelten Datenbestände zur Verfügung stellt. Klosa: „Momentan arbeiten wir an einer Schnittstelle, die es uns bald ermöglichen wird, auf aktuelle Daten in Echtzeit zugreifen zu können.“
Neuronales Netz lernt und verbessert das Modell
Alle 90 Sekunden teilt das System mit, wie viele Fahrzeuge über die Bodensensoren gefahren sind und wie lange sie dafür gebraucht haben. Dauert es länger als üblich, ist das ein Anzeichen für einen sich anbahnenden Stau. „Wir können keine mikroskopisch genauen Aussagen machen und keine einzelnen Autos verfolgen“, betont Klosa. „Aber wir können die Verkehrsflüsse modellieren und mithilfe der historischen und aktuellen Daten den digitalen Zwilling immer weiter verfeinern.“
Optimiert werden die Parameter des Modells mittels Methoden aus den Bereichen Big Data und Maschinelles Lernen. „Ein künstliches neuronales Netz vergleicht die tatsächlichen Daten mit den vorhergesagten und lernt daraus“, erläutert der Wissenschaftler.
Durch dieses ständige „Online-Training“ finde eine immer neue Anpassung des Modells statt. Zur Verbesserung der Vorhersagen ließen sich bei Bedarf zudem verschiedene Parameter verändern. „Aktuell liegt unser Modell bei 15 Autos pro Minute im Schnitt um nur ein Auto neben unseren Vorhersagen, das ist schon ein sehr guter Wert.“ Der digitale Zwilling werde sich permanent weiterentwickeln – schon allein deswegen, weil sich auch der Verkehr permanent verändere.
Unterstützung durch Bremer Förderprogramm für Angewandte Umweltforschung
Finanziert wird das DiSCO2-Projekt über das Förderprogramm AUF – Angewandte Umweltforschung durch die BAB – Die Förderbank für Bremen und Bremerhaven. Das Programm der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau unterstützt die Erforschung von neuen umwelt- und klimagerechten Technologien durch wissenschaftliche Institute in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie.
Nachdem das Forschungsteam vor zwei Jahren die Projektidee diskutiert und erste Gespräch mit der VMZ geführt habe, sei passenderweise die Ausschreibung der BAB herausgekommen, berichtet Daniel Klosa. Innovative Forschung für solche realen Anwendungsszenarien sei für die Universität nur durch externe Drittmittel möglich: „Ohne die Förderung der BAB wäre ein solches Projekt darum nicht denkbar. Wir sind sehr dankbar für das spannende Programm und die Auswahl unseres Projektvorschlags.“
Und Dr. Detlef Pukrop, Innovationsmanager bei der BAB, ergänzt: „Eine erfolgreiche Übertragung der Algorithmen bietet dem ZeTeM die Chance, neue Kontakte sowie Kooperationen in diesem Bereich zu etablieren. Diese Algorithmen erfahren durch solche "Success Storys" eine enorme Aufwertung und erhöhen insgesamt die Akzeptanz von mathematischen Methoden in der Industrie.“
Weniger rote Ampeln und Staus
Während der aktuellen Projektlaufzeit geht es im Wesentlichen darum, möglichst genaue Vorhersagen zu erstellen und das hierfür benötigte Modell zu optimieren. In einem Folgeprojekt wollen die Forschenden dann untersuchen, wie sich durch eine intelligente Steuerung der Ampeln im Stadtgebiet tatsächlich der Verkehrsfluss verbessern lässt. Auch die Auswirkungen von Baustellen und Großereignissen könnten durch die vorausschauenden Simulationen in Zukunft besser erkennbar werden: Bauarbeiten ließen sich dann so planen, dass sie den Verkehrsfluss möglichst wenig beeinträchtigen.
Berechnungen hätten gezeigt, dass sich allein durch eine optimale Verkehrsführung der Ausstoß von CO2 um rund zehn Prozent reduzieren ließe, macht Klosa deutlich. „Das ist schon eine ganze Menge.“ Die positiven Auswirkungen auf die Umwelt seien damit erheblich – aber auch die auf die Autofahrenden: „Es gäbe dann weniger Wartezeiten an roten Ampeln und in Staus, die Fahrt zur Arbeit und nach Hause ginge schneller.“ In Zeiten hoher Benzinpreise außerdem nicht ganz unerheblich: Durch einen gesenkten Kraftstoffverbrauch wären seltener Stopps an der Tankstelle erforderlich.
Das Förderprogramm Angewandte Umweltforschung (AUF) wird von der Bremer Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau sowie aus den Mitteln des EFRE - Europäischer Fonds für regionale Entwicklung gefördert und von der BAB – Die Förderbank für Bremen und Bremerhaven administrativ betreut.
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