Wo die Lebensmittelskandale seziert werden
WirtschaftsförderungBremerhavener Speziallabor Impetus GmbH & Co Bioscience KG spürt mittels innovativer DNA-Analytik detaillierte Inhaltsstoffe auf
Ist da drin, was draufsteht? Eine Kernfrage, die nicht nur Verbraucher umtreibt, sondern auch die Experten des Bremerhavener Labors Impetus GmbH & Co Bioscience KG. Sie untersuchen Lebens- und Futtermittel oder Textilien auf gentechnische Veränderungen.
Konstante Forschung und Entwicklung an neuen Testverfahren treibt das kleine Unternehmen an. Erfolgreich behaupten sie sich gegen große Labore. Ohne entsprechende Projektförderung wäre dies nicht möglich. Partner der erfolgreichen Unternehmensentwicklung sind seit vielen Jahren die BAB - Die Förderbank für Bremen und Bremerhaven sowie die BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH.
Wie in einer guten Ehe haben Dr. Lothar Kruse und Dr. Hermann Rüggeberg sowohl Höhen als auch Tiefen miteinander erlebt. Sie haben sich gemeinsam weiterentwickelt, aufeinander vertraut und können sich gerade über ein silbernes Jubiläum freuen. Vor 25 Jahren machten sich die beiden Molekularbiologen, die zuvor schon an der Universität Bremen zusammen forschten und arbeiteten, das erste Mal selbstständig. Mit der Hanse Analytik, einem klassischen Start-up aus dem Laborumfeld, gründeten sie 1993 zu fünft die Keimzelle für ihr heutiges Unternehmen.
Schon damals im Fokus: Die DNA und Entschlüsselung beispielsweise von Tierarten in einem Produkt. „Das war bis dahin nicht möglich gewesen“, sagt Kruse. Er hatte seine Zukunft eigentlich im Unibetrieb gesehen. Auf die Promotion folgten Zusagen aus den USA und aus Japan, „doch dann wurde mir immer mehr bewusst, dass ich eigentlich kein Verwaltungsangestellter sein wollte“, erinnert er sich. Budgets verwalten, um Drittmittel streiten, das war nicht das, worum es ihm ging. Der Sprung in die Selbstständigkeit kam da gerade recht, das Labor hatte den richtigen Riecher - ihnen gelang Mitte der 90er Jahre mit dem Nachweis von gentechnisch veränderten Sojabohnen „der Glücksgriff schlechthin“, das kleine Labor wuchs rasant, die Firma wurde durch einen Zusammenschluss mit einem Freiburger Unternehmen zur Aktiengesellschaft, es ging an die Börse - und für Kruse und Rüggeberg dann kurz nach der Jahrtausendwende nicht mehr.
„Die AG hat uns ein stückweit den Spaß verdorben, nur das große Geld konnte es nicht sein“, bilanzierten die Beiden. „Wir haben aus Fehlern gelernt und wussten ja, dass wir es schon einmal am Markt geschafft haben“, sagt Kruse. Und so gingen sie 2002 mit ihrem heutigen Labor Impetus GmbH & Co Bioscience KG an den Start. Im Bremerhavener Biotechnologiezentrum Bio Nord hat das Unternehmen auf 500 Quadratmetern einen passenden Firmensitz mit Lager, Labor- und Büro- und Tiefkühlraum gefunden. In den vergangenen 16 Jahren hat sich das Labor mit Know-how, Kundennähe und innovativer Forschung und Entwicklung nach vorn gearbeitet. „Wir wollten alles auf solide Füße stellen und kein Bauchladen ohne Kompetenz sein“, sagt Lothar Kruse und betont: „Wir haben es nicht bereut“.
Etikettenschwindel aufspüren
Ob Thunfisch in Dosen, der tatsächliche Gehalt von Hühnerfleisch im Geflügelsalat, Verunreinigungen in Futtermitteln, gentechnisch veränderte Baum- oder Schafwolle im Kaschmirpullover - die Bremerhavener Experten kommen (je)dem Etikettenschwindel auf die Spur. Die Verbraucher sind sensibler geworden, die Messmethoden auch. Überrascht waren Lothar Kruse und Hermann Rüggeberg vom Ausmaß des Lebensmittelskandals vor einigen Jahren, als Pferdefleisch in der Lasagne gefunden wurde. Nicht, dass das dort per se hingehöre, „aber in der Öffentlichkeit wurde es so wahrgenommen, als ob dort Dioxin oder Plutonium verarbeitet worden wäre“, sagen die Experten. Sie hätten wirklich „viele, viele Proben“ bekommen und bei weniger als einem Prozent wurde tatsächlich Pferdefleisch gefunden. Der Aufschrei war dennoch groß.
Die Molekularbiologen sind sich sicher, dass sie derzeit nur an der Oberfläche kratzen und noch der ein oder andere Skandal mit Verunreinigungen oder nicht ordnungsgemäß deklarierten Lebens- und Futtermitteln seine Runden ziehen wird. „Wir können nur die Spitze des Eisbergs testen“, sagen die beiden selbstkritisch. Bei einer Haltung, dass alles - vor allem Fleisch - viel und billig sein müsse, da sei man auch vor krimineller Energie nicht gefeit. Und jeder Verbraucher müsse sich durchaus ein stückweit an die eigene Nase fassen.
Jeder Verarbeitungsschritt hat negative Auswirkungen auf die DNA. Wir können sie dennoch entschlüsseln.
Sicher und sensitiv
Gut 20.000 Proben bearbeitet das Laborteam von Impetus pro Jahr, nicht selten als „analytische Feuerwehr“, wenn ein Schiff beispielsweise darauf wartet, entladen zu dürfen und nicht sicher ist, ob Mykotoxine in der Ladung sind. Die Chefs stehen nur noch selten mit Reagenzglas und Mikroskop im Labor, dafür reisen sie zu Vorträgen und Symposien um die Welt, um die Themen begreifbar zu machen, an denen sie forschen und arbeiten. Immer wieder geht es um eigene, neue Testverfahren. Die BIS und BAB begleiten sie dabei seit Jahren mit Förderungen beispielsweise aus dem Programm „Forschung, Entwicklung und Innovation (FEI)“ zur Entwicklung innovativer Produkte, neuer Verfahren oder Dienstleistungen. Ein jüngstes Forschungs-Projekt hatte die Analyse zur Differenzierung von Haus- und Wildschweinbestandteilen in verarbeiteten Produkten zum Gegenstand. „Statt Hausschwein gelangt immer häufiger Wildschwein auf den Teller der Verbraucher. Genetisch sind beide eng miteinander verwandt und daher waren Unterscheidungen bislang schwierig“, erklärt Kruse.
Impetus hat ein PCR-System zur quantitativen und qualitativen Differenzierung von Wild- und Hausschwein entwickelt, das unabhängig von Herkunft und Verarbeitungszustand des Fleisches gesicherte Auskunft geben kann. Den Mikrobiologen geht es in all ihren Entwicklungen darum, vernünftige Werte zu definieren und die Methoden zu verfeinern. „Wir arbeiten beispielsweise daran, aus fertigproduzierten T-Shirts aussagekräftige Resultate zur verwendeten Baumwolle abzuleiten“, erklären Kruse und Rüggeberg, beide Jahrgang 1959. Aktuell sei es bereits eine Herausforderung, dies bei Rohbaumwolle zu machen - aber die Bremerhavener wollen einen Schritt weiter gehen. Ähnlich verhält es sich bei Luxustextilien aus Kaschmir oder Alpaka. Schaf und Yak sind wesentlich günstigere Rohmaterialien - und leider auch in solchen Tieredelprodukten zu finden. Mithilfe der Bremerhavener Tests soll man aber künftig wissen, ob es drei oder 90 Prozent fremde Tierwolle sind. „Jeder Verarbeitungsschritt hat negative Auswirkungen auf die DNA. Wir können sie dennoch entschlüsseln.“
Wachsen mit dem Markt
Weltweit bieten sie ihre Untersuchungen an, der Kontakt läuft zeitgemäß global übers Internet. Wann immer neue Themen auftauchen, gelte es inhaltlich auch in der Analytik nachzubessern. Sie waren seinerzeit das erste private, unabhängige Labor im Bereich DNA-Analytik und haben ihre Expertise kontinuierlich ausgebaut. Vor allem in Nischenfeldern haben sich die Bremerhavener einen Namen gemacht und sind dann als anerkannte Experten, die auch in Fachgremien des Bundes zu Gentechnik sitzen, mit dem Markt gewachsen - heute auf ein Team mit 25 Mitarbeitern. „Wir leben von unserem guten Ruf“, betonen Kruse und Rüggeberg. Die berühmte weiße Weste ist für die Unternehmer ebenso wichtig wie für die Hersteller gegenüber den Verbrauchern. Vertrauen ist ein Schlüsselwort.
Die Bremerhavener Molekularbiologen setzen hier auf größtmögliche Transparenz. Zu ihren Kunden pflegen sie eine gute Beziehung, erklären Prüfberichte gern und auf einfach begreifbarer Ebene, publizieren über ihren Kenntnisstand und halten Vorträge. „Es kochen alle mit Wasser. Der eine in einem größeren Topf, der andere in einem kleineren“, umschreibt es Kruse. Ihr großer Vorteil sei es, schneller und flexibler als der Wettbewerb reagieren zu können. Regelmäßig trudeln in der Seestadt Übernahmeangebote großer Laborketten ein. Angebote, die Kruse und Rüggeberg ebenso regelmäßig dankend ablehnen.
„Wachstum durch Innovationen, in dieser Branche wichtiger denn je! Mit einer Förderung von BAB und BIS können auch kleine und mittlere Unternehmen anwendungsnahe neue Technologien entwickeln und Innovationen realisieren“, so Silke Muhle, Firmen- und Geschäftskundenbetreuerin bei der BAB. Die langjährige Zusammenarbeit mit Impetus - auch für BAB und BIS eine echte Erfolgsstory aus Bremerhaven, die noch weitere Projekte währen kann, denn Lebensmittelskandale und die zunehmende Sensibilität der Verbraucher stellen das Team um Dr. Rüggeberg und Dr. Kruse ständig vor neue Herausforderungen.“
Fortschritt fördern, Innovatives umsetzen – das ist mit der FEI-Förderung möglich. Mehr zur Förderung, speziell in Bremerhaven, erfahren Sie bei Dr. Jennifer Schweiger von der BIS, Tel. 0471 94646605, schweiger@bis-bremerhaven.de.
Inwieweit die BAB Unternehmen auch darüber hinaus mit Krediten, Bürgschaften oder Beteiligungen unterstützt, erfahren Sie bei Silke Muhle, Kundenbetreuerin Firmen- und Geschäftskunden bei der BAB, Tel. 0421 9600-478, silke.muhle@bab-bremen.de oder www.bab-bremen.de.
Erfolgsgeschichten
Mit der Fördermaßnahme „Diversity in KMU“ sollen Strategien diverser Personalstrukturen in Unternehmen unterstützt werden. Ziel ist die Entwicklung von Arbeitswelten, wo unterschiedliche Talente, Perspektiven und Kompetenzen interdisziplinär zusammenkommen können sowie die Reduzierung von Gender Gaps.
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