Baustopp im Baukasten
WirtschaftsförderungAuch wenn aktuell wieder Unterricht in den Bremer Schulen stattfindet, bringt das Luise Lübke noch längst nicht wieder zurück ins Geschäft. Sie hat 2011 mit dem „Baukasten“ die erste und bislang einzige Architekturschule für Kinder in Deutschland gegründet. Bundesweit entwickelt sie zusammen mit Schulen Konzepte, damit Kinder Interesse und Verständnis für Architektur entwickeln. Aber wenn Unterricht nur eingeschränkt und auf Abstand stattfindet, muss auch das schönste Architektur-Projekt abgesagt werden. Für Luise Lübke bedeutet das eine finanzielle Extremsituation.
Architektur ist das, was die heute 42-Jährige schon früh fasziniert hat. Ihr Großvater war Architekt in Berlin und schon als Jugendliche hat sich Lübke intensiv mit Architektur beschäftigt. Unter anderem hat sie für den Bund Deutscher Architekten in Berlin gearbeitet und zweimal den Architekturpreis Berlin organisiert.
2004 zog sie nach Bremen und studierte an der Universität Kulturwissenschaft, Kunstwissenschaft und Soziologie. Ihr Fokus war und ist die Architekturvermittlung, in ihrer Magisterarbeit hat sie ein Konzept für Kinder und Architektur entwickelt. „In Finnland haben Architektur und Design einen hohen Stellenwert an Schulen und Bildungseinrichtungen. Das hat mich inspiriert, meine Architekturschule für Kinder zu gründen“, erzählt Lübke. Dafür hat sie das Coachingprogramm des Starthauses durchlaufen und im Mai 2011 den „Baukasten“ gegründet. In der Pieperstraße mitten der Innenstadt fand sie schließlich passende Räume und stattete sie mit Hilfe eines Mikrokredits der BAB aus.
Kinder sollen entdecken, ausprobieren und spielerisch lernen
„Dann ging’s los – aber keiner wollte was machen“, erinnert sich Lübke. „Es war anfangs schwierig zu vermitteln, warum man Kinder mit Architektur bespaßen soll.“ Dabei geht es um so viel mehr als nur das: Kinder beschäftigen sich spielerisch und experimentell mit Architektur, Stadtplanung und Design. Es geht um das Begreifen und Wahrnehmen räumlicher Strukturen und Gestaltungsprozesse. Beim Modellbau trainieren Kinder ihre motorischen Fähigkeiten, setzen sich mit Materialien auseinander und bringen ihre mathematischen oder naturwissenschaftlichen Kenntnisse in praktische Arbeit ein. „Kinder sollen selbst herausfinden, wie es funktioniert.“
Lübke bot zunächst nachmittags Workshops für Kinder ab sechs Jahren an. Später erweiterte sie dann ihr Geschäftsmodell: Mit finnischem Vorbild entwarf sie ein Bildungskonzept für Schulen. Ihr Ansatz ist nicht, mal eben eine Projektwoche zu veranstalten, sondern sie möchte, dass ihr Konzept an den Schulen individuell entwickelt und nachhaltig im Unterricht umgesetzt wird.
Ohne Architektur kein Bauhandwerk – und umgekehrt
„Mit den Schulen erarbeite ich Konzepte, in denen es um Architektur, aber auch um Bauhandwerk, Sachkunde, Technik oder Umwelt geht. Das ist gerade für Schülerinnen und Schüler in der Berufsorientierung spannend, wenn sie entdecken, dass es neben Architekten auch Bauzeichner, Projektleiter, Ingenieure und Bauhandwerker gibt. Alle sind wichtig: Ohne Architektur kein Bauhandwerk und umgekehrt“, sagt Lübke. Sie fragt die Schulen, welchen Bedarf sie haben, und entwickelt entsprechend ihr Konzept. „Ich arbeite interdisziplinär zusammen mit der Schulleitung, Lehrerinnen und Lehrern, binde Fächer wie Mathe, Kunst oder Sachkunde mit ein. Ich bin zum Teil ein halbes Jahr an der Schule, bis das Konzept fertig ist. Es gibt jeweils eine Lehrerin oder einen Lehrer als Expertin oder Experten, die das Konzept kennen und weitergeben. Zusätzlich gibt es ein Handbuch und regelmäßig neue Materialien von mir“, sagt Lübke.
Lübke hat nach wie vor die einzige Architekturschule in Deutschland, inzwischen ist sie bundesweit tätig. Seit vier Jahren arbeitet sie viel in Baden-Württemberg und kooperiert eng mit der Handwerkskammer Heilbronn-Franken. „Die Projekte sind zum Teil sehr aufwändig, aber sie machen so viel Spaß“, erzählt Lübke. „Bei Jugendlichen in der Berufsvorbereitung spielen auch Themen wie Erhaltung, Umwelt, Nachhaltigkeit und Technik mit rein. Es bleibt auch für mich spannend, immer kommt wieder etwas Neues dazu.“
Corona-Lockdown: Soforthilfe als erste Rettung
Aber dann kam Corona. „Als die Schulen geschlossen wurden, wurden alle meine Projekte verschoben oder ganz abgesagt“, sagt Lübke. „Ich war zunächst einfach nur geschockt und wusste überhaupt nicht, was ich tun sollte. Ich habe Ende März Soforthilfe beantragt, das ging sehr unkompliziert und das Geld war tatsächlich innerhalb von zehn Tagen auf meinem Konto. Das hat mir Luft zum Durchatmen gegeben, so konnte ich wenigstens Miete, Versicherungen und die Krankenkasse bezahlen. Die Kosten liefen ja weiter.“
Etwa drei Monate konnte Luise Lübke dank der Soforthilfe überbrücken, aber Ende Juni ist das Geld alle. Zwar hat der Schulunterricht wieder begonnen, ist aber vom Regelbetrieb noch weit entfernt. Eventuell läuft nach den Sommerferien der Unterricht wieder nach Plan, aber Zusagen oder gar Termine für ein Baukasten-Projekt gibt es nicht. „Als Selbständige hat man ja eh schon zu kämpfen, aber diese Situation bedeutet Stillstand. Ich bin ein kreativer Mensch, aber das fällt mir in dieser Zeit schwer. Vielleicht entwickele ich eine ‚Corona-Version‘ meines Baukastens, so dass Schülerinnen und Schüler auch zu Hause arbeiten können. Aber es ist schwierig, den Bedarf zu erkennen – und schließlich weiß keiner, wie sich alles entwickeln wird.“
Ungewisse Zukunft
Ihre Workshops für Kinder, die sie nachmittags in den Räumen in der Pieperstraße anbietet, finden bis zu den Sommerferien nicht statt. „Halbe Gruppen hätten sich nicht gelohnt, und ich müsste ja zwischendurch immer wieder das Werkzeug desinfizieren – so kann ich nicht arbeiten“, sagt sie. Zurzeit führt sie Schulungen für Lehrerinnen und Lehrer durch – in der Hoffnung, dass diese Projekte aus der Zeit vor Corona zumindest im neuen Schuljahr weitergeführt werden können. „Die Schulen sind in Wartestellung und bereiten sich auf einen Normalbetrieb vor.“ Ihr Geschäftsjahr 2020 hakt sie jetzt trotzdem schon ab. „Selbst wenn es im Herbst wieder losgeht, kann ich ja nicht alle Projekte gleichzeitig bedienen. Somit kann ich auch nicht mehr arbeiten, um den Verlust wieder aufzuholen.“
Die Räume in der Pieperstraße möchte sie vorerst nicht kündigen. Sie überlegt, einen Kleinkredit aufzunehmen, um die laufenden Kosten zu decken. Oder sie beantragt Arbeitslosengeld II, aber das wäre wirklich die letzte Option. „Es muss einfach im Herbst wieder bergauf gehen.“
Informationen für kleine und mittelständische Unternehmen zu den Überbrückungshilfen der Bundesregierung finden Sie hier.
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