Von unterbrechungsfreier Power und Gestensteuerung in Flugzeugen
WirtschaftsförderungEin Blick in zwei Forschungsprojekte der AES GmbH
Der Film stoppt, das Licht flackert – für nur wenige Sekunden ist die Stromversorgung an Board ausgefallen. Wie das vermieden werden kann? Dafür hat die AES GmbH eine Antwort entwickelt. Außerdem beschäftigt sie sich mit Gestensteuerung im Flugzeug. Klingt spannend? Dann erfahrt ihr hier mehr.
Schon ein Blick auf die Adresse des Firmensitzes lässt es vermuten: Es wird um Flugzeuge oder Luftfahrttechnik gehen, denn unweit vom Bremer Flughafen sitzt die AES GmbH. AES – das steht für Aircraft Elektro/Elektronik System GmbH und genau das findet man hier. Als international etablierter Dienstleistungs- und Produktlieferant, dessen Leistungsspektrum neben einem umfassenden Service im Bereich der elektrischen Konstruktionsdienstleistungen auch die Entwicklung und Herstellung von elektrischen und elektronischen Produkten für die Flugzeugkabine umfasst, hat sich das Bremer Unternehmen einen Namen gemacht. Wir schauen gemeinsam in zwei spannende Projekte aus der Luftfahrt.
Unterbrechungsfreie Power
Jede:r, der/die schon einmal in einem Flugzeug saß, kennt diesen Moment noch vor dem Start, wenn der große Stecker des Flugzeugs gezogen wird und somit die Stromversorgung auf die Maschine übergeht: Der Film unterbricht, das Licht flackert für wenige Sekunden. Dieser kurze Stromverlust kann dazu beitragen, dass das Flugzeug und dessen Geräte über mehrere Minuten neu hochfahren. Unerwünscht ist dies besonders im Luxussegment.
Das Entwicklungsteam rund um Dr.-Ing. Andreas Hammer hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, eine Lösung zu finden, die diese Stromunterbrechung verhindert. Über zwei Prototypen hinweg entwickelte das Team ein Energiespeichersystem mit vier Superkondensatoren, welche die Spannung des Wechsels für mindestens eine Sekunde überbrücken, sodass weder die Customer Experience noch die Bordgeräte gestört werden.
Das Team hat herausgefunden, dass sogenannte Super Caps eine geeignete Alternative zu bekannten Systemen wie zum Beispiel Batterien oder Akkus darstellen. Für die Luftfahrtbranche gilt jedoch, dass innovative Lösungen verschiedenster Zulassungskriterien entsprechen müssen. So ein Zulassungsverfahren kann in der Regel dauern und obliegt einiger Bedingungen. Zum Beispiel ist bei der Anwendung von Super Caps wichtig, dass diese Systeme weder Hitze erzeugen oder brennbar sind noch Flüssigkeiten oder Gase austreten. Dies kann unter anderem gelöst werden, in dem die Super Caps vollumfänglich versiegelt werden, sodass kein Austreten möglich ist.
Das Projekt lässt sich dem Trend „More Electric Aircraft“ (MEA) zuordnen, welches sich seit geraumer Zeit damit beschäftigt zunehmend elektrisch betriebene Systeme einzusetzen und die hydraulischen und pneumatisch betriebenen Systeme zu ersetzen. Dieser Trend bietet einige Vorteile: Elektrische Systeme haben in der Regel eine höhere Gesamtenergieeffizienz und sogenannte Gleichzeitigkeitseffekte können besser genutzt werden. Das heißt, dass die Energie nicht mehr in drei, sondern in einer physikalischen Domäne übertragen wird. Zur Steigerung der Energieeffizienz trägt bei, dass Energie nur dann erzeugt und verbraucht wird, wenn sie benötigt wird. Zudem weist ein MEA einen geringeren Wartungsaufwand sowie eine gesteigerte Zuverlässigkeit, Haltbarkeit und Überlebenswahrscheinlichkeit im Vergleich zu den hydraulischen oder pneumatischen Systemen auf.
Das Team von Dr.-Ing. Andreas Hammer ist es gelungen einen funktionierenden Prototyp zu bauen, welcher nachweisbar funktioniert. Nun werden erste Anwendungsfälle benötigt, um zu einem späteren Zeitpunkt in ein Zulassungsverfahren zu starten.
Gestensteuerung im Flugzeug
Schon seit einigen Jahren sind Sprachsteuerung oder Touchscreen nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Genauso sind die dazugehörigen Wischbewegungen bereits in unseren täglichen Handlungen integriert. Diese Funktionen sind der sogenannte Mensch-Maschinen-Kommunikation (HMI = Human Machine Interface) zuzuordnen. Neben der haptischen und sprachgesteuerten Anwendung ist die Gestik ein ebenso wichtiges Kommunikationsmittel des Menschen. Und genau hier setzt das Projekt „CapDis“ (Cabin Distancing) der AES GmbH an. Lasse Dunkhase und sein Team haben es sich zur Aufgabe gemacht, elektronische Geräte allein durch gezielte Körperbewegungen zum Beispiel mit Hand oder Fuß zu steuern.
Eine solche Gestendetektion ist unsichtbar, kontaktlos und anonym und bietet einen enormen Vorteil: Durch die berührungslose Steuerung können gerade im öffentlichen Raum Kontaktflächen erheblich reduziert werden. So sind Übertragungen von Krankheitserregern deutlich geringer – und gerade durch die Pandemiejahre wurden solche Lösungen immer gefragter, da sie einen hygienischen Aspekt bieten.
Wie kann ein solches System nun im Flugzeug Lösungen bieten? Anwendungsfälle bietet die Maschine in jedem Fall. So könnten zum Beispiel Lichter, die Toilettenspülung oder der Seifenspender per Geste gesteuert werden. Eine große Herausforderung bei der Gestensteuerung im Flugzeug gilt es jedoch zu überwinden. Es benötigt Gesten, die international verstanden und akzeptiert werden. Denn nicht jede Geste bedeutet in jedem Land das gleiche. So kann es von Land zu Land und Kontinent zu Kontinent unterschiedliche Bedeutungen geben. „Eine weitere Herausforderung in der Gestensteuerung liegt in der schnellen und zuverlässigen Erkennung“, erklärt Mirko Kruse. „Die Implementierung für qualifizierte Baugruppen kann schnell komplex werden, da eine Vielzahl von Informationen in Echtzeit verarbeitet werden müssen.“
Die Lösung der Gestensteuerung
Im Rahmen des Projekts wurden verschiedene Verfahren zur Gestensteuerung getestet und abgewogen, welches die beste Lösung bietet. Dazu wurde auch geprüft, welche Verfahren besonders im Flugzeug sinnvoll eingebaut werden können. Ein System, welches beispielsweise elektromagnetisch die Gesten erkennt, ist gerade im Anwendungsfall Flugzeug nicht zu empfehlen. Ebenso sind Verfahren, die für den Menschen nicht hörbare Signale senden, die zum Beispiel aber von Tieren gehört werden, auch nicht erstrebenswert. Im laufenden Prozess wurde dann die sogenannte Time of Flight Methode (ToF), die den Abstand zwischen den Objekten bemisst und so eine Reaktion auslöst sowie eine Kameratechnik in 2D weiterverfolgt. Schnell wurde dem Projektteam aber klar, dass auch eine Kamera wiederum weitere Hürden mit sich bringt aufgrund der Persönlichkeitsrechte – gerade in öffentlichen Umgebungen wie einer Flugzeugtoilette.
Trotz der Herausforderungen ist dem Team der AES GmbH gelungen einen funktionierenden Schalter mit Gestensteuerung (Gesture Switch) beispielhaft als Spülknopf zu entwickeln, der angelernte Gesten zum Auslösen der Spülung erkennt und anwenden kann. „Erste Kundenanfragen zum Einbau in Maschinen gibt es bereits“, erklärt Kruse und führt weiter aus: „Aber auch hier steckt die Herausforderung im Detail. Bei dem angefragten Maschinentyp ist der Spülknopf soweit an der Wand verbaut, dass nicht jede Geste funktioniert, da der Platz für die Geste nicht ausreichend ist.“
Das System bietet der Luftfahrt auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit positive Punkte. Durch die intelligente Gestenerkennung, können Bedienpanels und externe Steuergeräte eingespart werden. Auch können die Geräte nachträglich weitere Funktionen „erlernen“ und erweitert werden, ohne dass es zusätzlicher Hardware bedarf. Dies schont Ressourcen und führt ebenfalls zu einer Gewichtsreduktion des einzelnen Produkts, aber auch in Summe des gesamten Flugzeugs. Das spart Treibstoff und schont die Umwelt.
Mit Förderung ins Flugzeug
Die AES GmbH konnte beide Projekte mit Hilfe von REACT EU-Mitteln umsetzen und im Rahmen des Förderprogramms für Luft- und Raumfahrt (LuRaFo) ihre Erkenntnisse ermitteln. Dabei beschäftigen sich beide Projekte mit innovativen Ansätzen, die in kleinen Komponenten die Luftfahrt verändern können. Ziel des Programms ist die Entwicklung neuer Produkte, Instrumente oder Lösungen mit regionalwirtschaftlicher Relevanz zu beschleunigen, die zu umweltverträglicheren Luft- und Raumfahrtsystemen beitragen und so die nachhaltige, strukturelle Entwicklung des Technologiestandortes Land Bremen unterstützen.
Sechste Ausschreibung zum Luft- und Raumfahrt-Forschungsprogramm 2027: Reicht noch bis zum 01.08. eure Projektskizze bei der BAB ein, um innovative und umweltfreundliche Lösungen in der Luft- und Raumfahrt zu entwickeln. Alle weiteren Informationen zum Verfahren in der Ausschreibung.
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