24.1.2022 - Jann Raveling

USB-Sticks für das Weltall

Wirtschaftsförderung

DSI stellt Speichersysteme für Satelliten her

Satellit im Weltall
Ein Satellit aus dem Copernicus Programm der ESA: Einsatzgebiet der DSI Produkte © ESA/ATG medialab

Über unseren Köpfen schweben rund 3.400 Satelliten. Sie leiten Telefonanrufe weiter, helfen Autos bei der Navigation, beobachten das Wetter oder erforschen das Weltall. Einige Himmelskörper produzieren dabei täglich mehrere Giga- bis Terabyte an Daten. Genug, um eine handelsübliche Festplatte binnen kurzer Zeit zu füllen.

Da Satelliten mit mehreren tausend Kilometern pro Stunde die Erde umkreisen, können sie Daten nicht in Echtzeit an die Bodenstationen funken, denn diese geraten nur alle paar Stunden ins Blickfeld der Himmelskörper. Aus diesem Grund sammeln die künstlichen Erdtrabanten Daten zuerst lokal auf Festplatten, bevor sie sie auf ihren Weg durch die Atmosphäre schicken.

Gebaut für extreme Anforderungen

Diese Festplatten haben nur wenig mit einem handelsüblichen Datenspeicher gemeinsam. „Sie sind die kompliziertesten Geräte in einem Satelliten, da sie sehr empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen sind“, weiß Ole Bischoff, Leiter der Studienabteilung bei der Bremer DSI Aerospace GmbH. Eine Gefahr: kosmische Strahlen. Hochenergetische Teilchen – größtenteils Protonen – können auf die elektronischen Speicherelemente einwirken und einen Bitflip verursachen: Aus einer 1 wird eine 0. Das verfälscht die gesammelten Daten und macht sie schlimmstenfalls unbrauchbar.

Auch die extremen Temperaturen sind eine Herausforderung. Vor allem die Kühlung, denn die sich aufheizenden Prozessoren und Speicherelemente können nicht einfach über Lüfter wie im heimischen PC gekühlt werden. Stattdessen geben sie ihre Wärme über eine Verbindung mit der Außenwand des Satelliten ab, über den die Hitze durch Wärmeabstrahlung entweichen kann.

Drähte und Metallteile
Die Festplattensysteme verwenden Komponenten der höchsten Qualitätsstufe "Space" © BAB/Raveling

Hidden Champion aus Bremen

Das sind nur zwei von zahlreichen Herausforderungen, denen sich die über 80 Ingenieurinnen und Ingenieure von DSI täglich gegenübersehen. In der Bremer Airport-Stadt sitzt der Raumfahrtlieferant fast in direkter Sichtweite zu Branchengrößen wie Airbus oder der ArianeGroup. „Wir sind eine von drei europäischen Firmen mit Kompetenzen auf diesem Gebiet und das einzige mittelständische Unternehmen. Dadurch können wir agiler und auch günstiger agieren, das macht uns attraktiv“, sagt Elias Hashem, einer der Geschäftsführer des Bremer Raumfahrtspezialisten. Pro Jahr produzieren sie eine einstellige Anzahl an Festplatten, die dann in großen Raumfahrtmissionen mitfliegen. Etwa den „Copernicus“-Satelliten der Europäischen Raumfahrtagentur ESA.

Handarbeit statt Serienfertigung ist das Credo der Bremer. Anders geht es auch nicht: Die Komponenten reagieren empfindlich auf äußere Einflüsse, jedes Bauteil muss vor Einbau in das Speichersystem intensiv auf Herz und Nieren überprüft werden. Und auch die Einzelteile kommen nicht aus dem Onlineshop, sondern aus handverlesenen Kontingenten. Ein Speicherbaustein, nicht größer als ein Daumennagel, kostet in der Qualitätsstufe „Space“ schonmal mehrere tausend Dollar. Dann steht aber auch fest, dass er unter allen Bedingungen funktioniert – eine Reparatur im Weltall gestaltet sich nämlich schwierig.

Dazu kommen wechselnde Anforderungen an die Festplatten. „Jedes Speichersystem ist anders, speziell angepasst an den Satelliten, mit dem es ins All startet“, erklärt Ingenieur Bischoff. Neben der Hardware gehört auch die passende Software zum Arbeitsauftrag der Bremer, damit die Speichersysteme am Ende auch funktionieren.

Missionskarte
An zahlreichen Copernicus-Missionen der ESA ist DSI beteiligt. © DSI

Am Raumfahrtstandort Bremen genau richtig

Auch wenn es auf den ersten Blick anders scheint, der Hauptsitz der Raumfahrtfirma in der Airport-Stadt ist weit mehr als ein einfacher Bürotrakt. Denn hier finden sich auch gut ausgestattete Elektronik- und Techniklabore. In einem Reinraum setzen in Schutzanzüge gehüllte Technikerinnen und Techniker einzelne Bauteile zusammen, die sie zuvor im Labor in einer eigenen Thermal-Vakuumkammer auf Weltraumtauglichkeit überprüft haben.

Wer durch die Flure streift, hört mehr Englisch als Deutsch. Ein multinationales Team arbeitet am Raumfahrtstandort Bremen an den Speicherlösungen, Englisch ist ohnehin Standard in der Branche. „Bremen ist eine tolle Umgebung für Raumfahrtunternehmen“, sagt Hashem. Die kurzen Wege zu Branchengrößen wie Airbus, OHB oder Forschungsinstituten wie ZARM oder DLR erleichtern für die Bremer Speicherprofis die Arbeit ungemein. Auch bei der Fachkräftegewinnung helfe die Nähe zu Universität und Hochschule.

Förderprojekte helfen, Risiken abzufedern

An einer Wand – gleich in der Lobby – hängen fünf gut sichtbare Plakate, die auf vergangene und laufende Forschungsprojekte hinweisen. „Die Branche wandelt sich und wir müssen mithalten. Deshalb investieren wir in die Forschung und sind froh, dass wir dabei in Bremen so gut unterstützt werden“, erklärt Hashem bei einem Rundgang.

Er spielt damit auf die bisher fünf Förderungen im Bremer Luft- und Raumfahrtforschungsprogramm LuRaFo an. Das Förderprogramm unterstützt Neuentwicklungen in der Branche. „Für unsere Auftraggeber ist die Risikovermeidung das oberste Gebot – jeder Satellit muss funktionieren, da gibt es keine Experimente. Risikovermeidung steht aber oft im Gegensatz zu Neuentwicklungen und Innovationen. Mit der Förderung durch die BAB und dem LuRaFo-Programm können wir diese Entwicklungsrisiken auslagern und in aller Ruhe neue Technologien erforschen. Und mit den neuen Technologien können wir dann Akquise betreiben“, so Hashem.

Die Umsetzung des Bremer Luft- und Raumfahrt-Forschungsprogramm 2020 erfolgt im Rahmen des EFRE-Programms Land Bremen 2014-2020 (Operationelles Programm Bremen 2014-2020 für den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung Investitionen in Wachstum und Beschäftigung) durch die BAB – Die Förderbank.

Neue kompakte Datenspeicher in der Pipeline

Knapp 10 Ingenieurinnen und Ingenieure beschäftigen sich mit diesen Studien. Eine davon ist das Projekt „High Speed Serial Link für Payload Units (HSSL)“. Hier entwickelt DSI eine neue Schnittstelle, die höhere Datenübertragungsraten ermöglicht und gleichzeitig leichter und kompakter ist.

„Dank dieser Vorentwicklung hat die ESA unsere Technologie für ein kommendes Raumfahrtprogramm ausgewählt. Die Behörde fragt jetzt sehr interessiert nach und möchte ständig über den Status informiert werden. Die Förderung hat also einen direkten Impact auf unseren Umsatz und auch auf den Raumfahrtstandort Bremen, denn sie sichert Arbeitsplätze“, erklärt Geschäftsführer Hashem weiter.

Von dieser positiven Entwicklung ist auch Dr. Norbert Möllerbernd, Innovationsmanager bei der BAB, angetan: „Wir begleiten DSI seit vielen Jahren. Die technischen Lösungen sind auf einem Weltklasseniveau und beeindrucken die Fachwelt. Das zeigt sich auch am starken Umsatzwachstum in den vergangenen Jahren und dem hohen Ansehen, dass das Unternehmen auch bei Behörden wie der ESA genießt. Deshalb freuen wir uns als BAB, auch künftig zum technologischen Fortschritt mit unseren Instrumenten beitragen zu können.“

zwei Personen
Ole Bischoff, Leiter der Studienabteilung und Elias Hashem, Geschäftsführer © DSI

New Space Economy voraus

An mehr als zehn Missionen beteiligt sich das Unternehmen aktuell. In Zukunft könnte diese Zahl schnell wachsen. Denn die New Space Economy verändert die weltweite Raumfahrtbranche schon seit einigen Jahren. Immer mehr nicht-staatliche Akteure betreten das Feld und wollen mit kleinen und günstigen Systemen die Weltraumfahrt revolutionieren. Allen voran Konzerne wie SpaceX und andere Player aus den Vereinigten Staaten. Aber auch in Europa tut sich einiges – etwa durch den Bremer Raumfahrtkonzern OHB, der sich am Start-up Rocket Factory Augsburg beteiligt, das eine Minirakete für Kleinstsatelliten entwickelt.

Diese Kleinstsatelliten – die tausendfach gestartet werden – könnten auch für DSI ein künftiges Geschäftsfeld werden. „New Space kommt uns gelegen, kleinere und günstige Systeme sind auch für uns sehr attraktiv in der Entwicklung. Dort wird man dann eher auf modulare Speicherlösungen setzen, die eine Serienfertigung ermöglichen“, gibt der Elektrotechniker Bischoff einen kleinen Einblick in künftige Entwicklungen.

Einen ersten Zeh tauchte das DSI-Team bereits im LuRaFo-Forschungsprojekt 5GSatOpt ins Wasser. Als einer von mehreren Bremer Projektpartnern erforschten sie eine Simulationsplattform, die das Zusammenspiel von Schwärmen aus tausenden Satelliten sowie Bodenstationen für die Internetkommunikation über den Mobilfunkstandard 5G erproben soll.

„Über Forschungsprojekte wie diese lernen wir neue Kooperationspartner und Kunden kennen, sie helfen uns also nicht nur finanziell“, gibt sich Hashem begeistert. Gerade für kleine Unternehmen sei das ein große Chance. Für die Zukunft erträumt er sich für DSI nicht nur eine Rolle als Komponenten-Lieferant für tausende Kleinstsatelliten, sondern auch in der bemannten Raumfahrt. Denn auch dort sind weltraumfähige Festplatten unumgänglich. „Das wäre ein Riesending für uns“, sagt er lächelnd.

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